Brauchtum während der Ernte 19. / 20. Jahrhundert

Die Getreideernte war einst eine schwere Arbeit. Es lag noch Tau auf den Gräsern wenn die Mäher mit am Vorabend frisch geklopften Sensen mit der Grasmaht für Heu oder Grummet, oder für die Getreidemaht anfingen. Ein geübter Mäher, meist der Großknecht ging bei der Arbeit voran. Im wohl bemessenen Abstand folgten die anderes. Immer im gleichen Schwung holten die Sensen aus, schnitten durch das reife Korn und legten es in Schwaden. Wenn der Großknecht mit Schärfen der Sense mit dem Wetzstein begann, taten es ihm die anderen gleich. Die Mäher hatten das Vorrecht, nach dem Mittagsmahl, welches am Feldrand eingenommen werde und von der Hausfrau oder einer Magd meist mit der Kiepe gebracht wurde, eine kleine Weile zu ruhen. Getrunken wurde dazu meist Tee oder Malzkaffe aus tönernen Feldflaschen.
Abends hallte dann wieder das Klopfen der Sensen durch das Dorf.

Die Mägde banden das Korn aus den Schwaden zu Bunden, die dann zum trocknen zu Mandeln aufgestellt wurden. Vierzehn Tage lang dauerte es meist im Ort bis der letzte Halm gefallen war. Das Einfahren der Fuhren begann. Mit Ackerwagen aus Holz mit Holzrädern, später dann Gummi bereift wurden die trockenen Mandeln zu großen Fuhren beladen in die Scheune eingefahren. Hierbei entwickelten sich auch kleine Bräuche. War zum Beispiel ein junger Bauer durch Einheiratung auf den Hof gekommen und war dabei seine 1. Fuhre Korn einzufahren, dann versäumte man nicht ihm ein Band aus Halmen um den Arm zu legen, „Anbinden“ hieß es hier. Das kostete ihm mindestens eine Flasche Schnaps.
Hernach folgte dann das Dreschen, meistens im Winter wenn es wieder ruhiger auf dem Bauernhof geworden war. Ein Dreschgerät war der Dreschflägel. Den der Bauer meist selbst herstellte. Er bestand aus einem Stück Holz, der Keule, glattem Holzstiel, einem Stück Schwarte oder Leder das Keule und Stiel verband. Die Arbeitszeit begann morgens 3 Uhr. Der Bauer lehnte ohne weiteres Ansagen einen Dreschflegel an die Gesindekammer, das hieß morgen früh aufstehen zum Dreschen. Dem Gemeindewächter wurde auch ein rechtzeitiges Wecken angesagt. Am Scheunentor hing eine Öllampe, die ein kümmerliches Licht verbreitete. Schlaftrunken erschienen die Drescher und Drescherinnen auf der Scheunentenne. Hier wurde das Getreide ausgebreitet.

Nun begann die Arbeit, der Bauer übernahm die Führung. Es konnte ja nicht jeder zuschlagen wie er wollte, alles ging im Takt. Das Dreschen mit dem Flegel war eine Muskelarbeit und wollte gelernt sein. Leicht war es im Zweitakt zu schlagen, es erforderte schon einige Geschicklichkeit im Dreitakt oder Viertakt zu arbeiten. Die schulpflichtigen Kinder mußten schon vor dem Schulbesuch kräftig mithelfen. Wollte es anfangs nicht richtig klappen mit dem Takt, so gab es kleine Anlernverse, z. B. „Dat - jeppt - Brot“. Gegen 8 Uhr rief die Bäuerin zum Frühstück, was zur damaligen Zeit aus Mehlsuppe, trockenem Brot und Salzkäse bestand. Einfach war auch das Mittagsessen. Abends gab es Pellkartoffeln, Quark, Brot, Butter Käse, mit dem Hausgeschlachteten mußte sparsam umgegangen werden. Das Korn mußte nun noch mit einer „Windfege“ vom Spreu getrennt werden. Der 1. Sack Mehl wurde dann gleich zur Mühle gefahren. Aus dem Mehl bug die Bäuerin das erste. frische Brot. In späteren Zeiten wurde das Getreide mit einem Ableger, dann Binder gemäht und mit der Dreschmaschine, die von einem Göpel angetrieben wurde, gedroschen und auch gleichzeitig das Getreide reinigte. Heute erfolgt die Getreiteernte gleich auf dem Feld. Mit Mähdreschern wird dieses in einem Arbeitsgang gemäht, gedroschen und gereinigt. Das Getreide wird in großen Silos, bis zum Verbrauch, zur Trocknung, eingelagert. Ein Trockensilo befindet sich auf dem jetzigen Hof Hermann Friedrich Garrey.

Nach der Ernte wurde der Boden, zwischen den Mandelreihen, für die Zwischenfrucht (Lupiene, Luzerne, Seradella ...) umgeschält, mit den Pferden und 2-Schar-Pflug.
Schwer war und ist das Los des Landmanns. Mit seiner Hände Arbeit muß er jährlich um seine Versorgung und für die seiner Familie kämpfen.

Dies beschrieb Otto Bölke in seinen „Geschichten eines Flämingdorfes“, in einem kleinen Gedicht:

Ruhig schreiten meine Pferde,
langsam ziehen sie den Pflug,
hart und zäh ist unsre Erde
und der Müh auf ihr genug.

Über mir die Vöglein fliegen,
leicht hinjauchzend ohne Not,
während wir im Schweiße pflügen
 um das bißchen täglich Brot.

Stunden kommen, Stunden gehen,
eh erbrochen liegt das Feld
und wir wenden und wir drehen
uns auf diesem Fleckchen Welt.

Über mir die Sonnenscheibe
wandert strahlend ohne Not.
Während ich hier um mich treibe,
pflügend für mein täglich Brot.
 
Die Burschen und Mädchen, die auf den Bauerhöfen im Dienst standen, wurden monatlich entlohnt. Zu besonderen Anlässen, wie Heuernte, Anmahd des Getreides, Weihnachten, Ostern gab es etwas Praktisches. Zur Heuernte gab es ein neues Kopftuch und eine Schürze. Zur Getreideernte war ein neues Arbeitskleid fällig für die Mädchen. Die Knechte bekamen einen Blauen Anzug oder ein Arbeitshemd. Weihnachten gab es oft Bettwäsche. Zur Fastnacht gab es oft Stoff für ein Tanzkleid.
( aus der Erinnerung von Zeitzeugen und I. Rückert )